Wolf Kittler:

Echos Widerhall

Von Freud zu Lacan

IMD 392
100 Seiten.
ISBN: 978-3-88396-334-1
Buch: ist vergriffen

Auf ihrer Suche nach Namen für die neuen Krankheiten und Perversionen, die sie glaubten zu entdecken, griffen Psychiater und Psychologen ins Archiv der schönen Literatur – Autoren der Moderne: le Marquis de Sade, Leopold von Sacher-Masoch; Helden der Antike: Ödipus, Echo und Narziss. Gilles de la Tourette prägte den Begriff Echolalie, Paul Näcke erfand das Wort Narzissmus. Keiner dachte daran, dass Echo und Narziss – wie alle Liebenden – so nah und so fern beieinander liegen wie Auge und Ohr. Sigmund Freud stürzte sich auf Narziss, verwandelte ihn in eine Frau, hielt es aber nicht für nötig, Echo auch nur ein einziges Mal zu erwähnen. Doch Echo, die Nymphe aus Ovids Metamorphosen, kehrt in der Praxis der Psychoanalyse, nämlich in der Rückkopplungsschleife zwischen Ohr und Mund des Analytikers wieder. Und Echo, die Nymphe aus Longus’s Daphnis und Chloe, kehrt zurück in Lacans Theorie vom zerstückelten Körper, dem das Spiegelstadium eine imaginäre Ganzheit gegenüberstellt.
Wolf Kittler (*1945), Professor für Deutsche und Vergleichende Literaturwissenschaft an der University of California, Santa Barbara. [www.gss.ucsb.edu]